Mit Apps den Aufbau von Molekülen erkunden
Im Chemieunterricht spielen Modelle und Modellvorstellungen eine zentrale Rolle [1]. Abstrakte Sachverhalte können anschaulich dargestellt werden. Digitale Tools erweitern die Möglichkeiten chemische Strukturen und Prozesse zu visualisieren. Im Folgenden werden die drei Apps MolView, WebMO und KingDraw HD vorgestellt, die eine interaktive Darstellung von Molekülen in 3D ermöglichen. Durch diese Apps können Schüler*innen etwa die räumliche Anordnung von Atomen in Molekülen erkunden und ein tieferes Verständnis für chemische Strukturen entwickeln. Auch Skelettformeln, Elektronenverteilungen, Reaktionsgleichungen und vieles mehr können mit den Apps dargestellt werden.
Entwickelt von Rebecca Tscheslog und Dustin Ayivi
⬤ Die Apps kurz vorgestellt
- Zielgruppen: Sekundarstufe I und II
- Fächer: Chemie
- Themengebiete: verschiedenste möglich
- Ziele: Das Verständnis für Molekülstrukturen und ihr Zusammenhang mit den Eigenschaften eines Stoffes sowie räumliches Denken fördern. Modelle und ihre Eigenschaften sowie Grenzen reflektieren.
Abbildung 1: Lernende können mit den Apps Molekülstrukturen in 2D und 3D erstellen.
⬤ Mehrwert von Apps zur digitalen Molekülmodellierung
- Visuelle Darstellung: Digitale Modelle ermöglichen eine visuelle Darstellung von Molekülen, die oft schwer zu veranschaulichen sind. Komplexe molekulare Strukturen und ihre Dynamiken können detailliert abgebildet werden [2]. Visuelle Repräsentationen sind für Schüler:innen von zentraler Bedeutung für die Entwicklung eines chemischen Verständnisses [3]. Durch die Nutzung von computergestützten Molekülmodellierungen kann das räumliche Denken und das Verständnis von 3D-Molekülstrukturen gefördert werden [4]. Struktur-Eigenschafts-Beziehungen können vermittelt werden, was mit herkömmlichen Molekülbaukästen nicht möglich ist [2]. Informationen, wie elektronenreiche oder ‑arme Bereiche eines Moleküls können veranschaulicht werden. Dies erweitert die Vorstellung der chemischen und physikalischen Eigenschaften eines Moleküls und fördert ein tieferes Verständnis [2].
- Interaktive Exploration: Durch die Verwendung digitaler Modelle können Schüler:innen interaktiv Moleküle erkunden. Sie können Molekülstrukturen drehen, vergrößern und verkleinern.
- Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: Digitale Modelle ermöglichen eine dynamische Anpassung und Modifikation von Molekülstrukturen in Echtzeit. Sie verfügen über eine große Variabilität in der Darstellungsform [5], z.B. zwei- oder dreidimensionale Modelle. Auch verschiedene Modellarten können einfach dargestellt und verglichen werden. Den Schüler:innen kann so vermittelt werden, dass Modelle immer nur bestimmte Aspekte des „Originals“ darstellen sollen und irrelevante Zutaten [1], die nicht der Realität entsprechen, hinzugefügt werden, z.B. die Farbe oder Form. Die Verwechselungsgefahr von Modellen mit der Realität ist bei digitalen zudem geringer als bei haptischen [6].
- Aktualität und Verfügbarkeit: Digitale Modelle können leicht aktualisiert und angepasst werden, um den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Entwicklungen zu entsprechen. Darüber hinaus sind digitale Modelle oft über das Internet oder spezielle Software leicht zugänglich, was den Schüler:innen ermöglicht, auch außerhalb des Unterrichts darauf zuzugreifen [5]. Die hier vorgestellten Softwareprogramme sind zudem kostenfrei verfügbar.
- Integration in Unterrichtsmaterialien: Digitale Modelle können einfach per Screenshot als Abbildungen in Unterrichtsmaterialien, wie digitale Arbeitsblätter oder Erklärvideos, integriert werden [7].
⬤ Technische Voraussetzungen
- Ein digitales Endgerät (Smartphone, Tablet, Laptop) pro Gruppe oder Schüler:in wird benötigt, je nach Einsatzszenario.
- Die Apps > WebMO und > KingDraw HD müssen auf dem Endgerät installiert werden.
- Für die Nutzung der Webseite > MolView muss Internet zur Verfügung stehen.
- Anleitungen für die drei Apps finden Sie im > Downloadbereich.
Vergleich der Apps
⬤ Ideen für die Umsetzung im Unterricht
Modelle sollen komplizierte Konzepte und Prozesse veranschaulichen. Idealerweise wird der Modellbegriff spiralcurricular eingeführt [1]. Lernende müssen die virtuelle Darstellung von 3D-Molekülmodellen und ‑strukturen erstmal „lesen“ lernen [7]. Eine Kombination von haptischen Modellen und 3D-Modellen ist dabei hilfreich, um das räumliche Denken zu fördern [7]. Für die Bedienung der Apps sind Kenntnisse über die Symbolschreibweise und das Zeichnen von Strukturformeln notwendig. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktionen eignen sich die Apps für verschiedene Einsatzzwecke besonders.
MolView
MolView ist besonders geeignet, Molekülstrukturen vielseitig in 3D darzustellen. Man kann die Webseite gut nutzen, um die verschiedenen Modellarten miteinander zu vergleichen. Die Grenzen und Möglichkeiten eines jeden Modells können diskutiert und kritisch hinterfragt werden, wie es in der Literatur empfohlen wird (z.B. [7]; [8]). Bei MolView kann man zudem gut nachvollziehen, wie die 3D-Struktur zu der Strukturformel eines Moleküls aussieht.
WebMO
WebMO ist insbesondere geeignet die Elektronendichteverteilungen zu visualisieren. Das kann Lernenden einen erweiterten Zugang zum Thema Dipoleigenschaften von Molekülen ermöglichen [7].
KingDraw HD
King Draw HD eignet sich besonders zum Erstellen von Strukturformeln, Reaktionsgleichungen und ‑mechanismen. Passend für die Organische Chemie bietet die App eine große Auswahl von bereits vorgefertigten Ringsystemen und gängigen organischen Verbindungen.
Im Downloadbereich finden Sie Anleitungen zu jeder App und Übungsaufgaben mit videografischen Lösungswegen, mit denen man die Handhabung der Apps trainieren kann. Für die Übungsaufgaben sind z.T. Kenntnisse in der Organischen Chemie notwendig.
Abbildung 2: Bedienoberfläche von MolView.
Abbildung 3: Bedienoberfläche von WebMO.
Abbildung 4: Bedienoberfläche von KingDraw HD.
⬤ Tipps & Hinweise für die Umsetzung im Unterricht
Einschränkungen bei der Darstellung von Molekülstrukturen
- Ionen lassen sich in den 3D-Modellen nicht von Molekülen unterscheiden [9].
- Komplexe und Festkörper lassen sich teilweise mit den Programmen in 3D nicht korrekt darstellen.
Fehleranzeige bei den Molekülstrukturen
- Bei MolView und WebMO wird nicht darauf hingewiesen, wenn falsche Molekülstrukturen erstellt worden sind! Bei MolView wird dieser Umstand mit einer kurzen Meldung beim Umwandeln von 2D zu 3D erklärt.
- Auch bei KingDraw HD wird nicht direkt darauf hingewiesen, wenn die erstellte Molekülstruktur nicht korrekt ist. Erst wenn man die Struktur in 3D umwandeln möchte, erscheint eine Fehlermeldung.
Internetabhängigkeit
- Für eine flüssige Anwendung von MolView benötigt man eine stabile Internetverbindung.
- WebMO und KingDraw HD sind auch ohne Internet betriebsbereit, doch die Such- und Lexikonfunktionen (WebMO „Lookup“, KingDraw HD Symbol „Name zu Struktur“, Symbol „Buch mit Lupe”) sind abhängig vom Internet.
Einschränkungen bei den kostenlosen Versionen von WebMO und KingDraw HD
- WebMO erlaubt die Visualisierung von Molekülorbitalen, Elektronendichte, des Elektrostatischen Potentials, Symmetrien und Molekülschwingungen sowie Anzeige von weiterführenden Informationen bei der kostenlosen Version für Moleküle mit bis zu 9 Atomen (Funktionen „Calculate“ und „Lookup“).
- Bei KingDraw HD kann in der kostenlosen Version nur eine Datei innerhalb der App abgespeichert werden. Auch der Export der Datei als Bild und die Suche im „Lexikon“ sind nur bei Zahlung möglich. Als Alternative zum Abspeichern der erstellten Molekülstrukturen o.ä. können Screenshots dieser gemacht werden.
Downloads und Links
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Arbeitsmaterial
Anleitung für MolView
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Arbeitsmaterial
Anleitung für WebMO
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Arbeitsmaterial
Anleitung für KingDraw HD
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Link
Übungsaufgaben zum Kennenlernen der Apps
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Link
Vertiefungsaufgaben für den Umgang mit den Apps
Literatur
- [1] Barke, H., Harsch, G., Kröger, S. & Marohn, A. (2018). Chemiedidaktik kompakt. In Springer eBooks. https://doi.org/10.1007/978–3‑662–56492‑9
- [2] Sommer, K., Wambach-Laicher, J. & Pfeifer, P. (2018). Konkrete Fachdidaktik Chemie: Grundlagen für das Lernen und Lehren im Chemieunterricht (1. Aufl.). Aulis.
- [3] Kozma, R. & Russell, J. (2005). Students Becoming Chemists: Developing Representationl Competence. In Visualization in Science Education (S. 121–145). Springer Science & Business Media. https://doi.org/10.1007/1–4020-3613–2_8
- [4] Dori, Y. J., Rodrigues, S. & Schanze, S. (2013). How to Promote Chemistry Learning Through the use of Ict. In SensePublishers eBooks (S. 213–240). https://doi.org/10.1007/978–94-6209–140-5_8
- [5] Weigend, M. & Wieczorek, R. (2020). 3D-Molekülmodelle mit Avogadro gestalten. Naturwissenschaften Im Unterricht Chemie, 177–178, 42–46.
- [6] Przywarra, T. & Risch, B. (2019). Modelleinsatz im Chemieunterricht illustrativ, haptisch-interaktiv oder digital erweitert. Naturwissenschaftliche Bildung als Grundlage für Berufliche und Gesellschaftliche Teilhabe. Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik, 616–619.
- [7] Sieve, B. (2020). Vorstellungen visualisieren und modellieren. Naturwissenschaften Im Unterricht Chemie, 177–178, 36–37.
- [8] De Jong, O., Blonder, R., & Oversby, J. (2013). How to Balance Chemistry Education Between Observing Phenomena and Thinking in Models. In I. Eilks & A. Hofstein (Hrsg.), Teaching Chemistry – A Studybook (S. 97–126). https://doi.org/10.1007/978–94-6209–140-5_4
- [9] Steiner, D. (2002). Multimedia-Chemieunterricht — digitale Medien und Computeranwendungen. In Konkrete Fachdidaktik Chemie (3. Aufl., S. 328–346). Oldenbourg.
-
Literaturempfehlungen
- Gangl, M. & Banerji, A. (2020). Apps für den Chemieunterricht (Fonds der Chemischen Industrie im Verband der Chemischen Industrie e.V., Hrsg.) [E‑Book]. https://www.vci.de/fonds/downloads-fonds/sondermassnahmen-digitaler-chemieunterricht/apps-fuer-den-chemieunterricht.pdf