Mikrospkopieren mit dem Tablet oder Smartphone und dem Foldscope

Die Mikro­skopie ist als wichtigste biolo­gi­sche Forschungs­me­thode ein wesent­li­cher Bestand­teil der Bildungs­pläne [1], kann aber auch in den anderen natur­wis­sen­schaft­li­chen Fächern von Inter­esse sein (z.B. Mikro­skopie von Kristallen in Chemie, Funkti­ons­weise der Mikro­skoplinse in Physik). Das Licht­mi­kro­skop ist jedoch ein teures und ortsge­bun­denes Gerät, das hohe kogni­tive sowie feinmo­to­ri­sche Fertig­keiten verlangt [1]. Das Foldscope ist ein handli­ches, kosten­güns­tiges und recht einfach zu bedie­nendes Papier­mi­kro­skop, das in Verbin­dung mit einem digitalen Endgerät aber auch eigen­ständig zum Mikro­sko­pieren genutzt werden kann. Im Folgenden werden das Foldscope, sein Mehrwert, die Handha­bung und Einsatz­mög­lich­keiten im natur­wis­sen­schaft­li­chen Unter­richt vorgestellt.

Entwi­ckelt von Rebecca Tscheslog und Angela Dager

⬤ Unsere Einsatzideen zum Foldscope kurz vorgestellt

  • Zielgruppe: Sekun­dar­stufe I
  • Fächer: Biologie, integriertes Fach Naturwissenschaften
  • Themen­ge­biete: Feldun­ter­su­chungen in der Natur z.B. die Teich­fauna, Funkti­ons­weise eines Mikroskops
  • Ziel: Schüler:innen erhalten die Möglich­keit direkt vor Ort in der Natur mikro­sko­pi­sche Unter­su­chungen durch­zu­führen; jede:r kann ein eigenes Mikro­skop nutzen.

Abbil­dung 1: Das Foldscope ist ein kosten­güns­tiges, leichtes und wasser­festes Einlin­sen­mi­kro­skop aus Kunststoffpapier.

Abbil­dung 2: Das Foldscope kann an Smart­phones oder Tablets gekop­pelt werden, um digitale Aufnahmen des mikro­sko­pierten Präpa­rats zu machen.

⬤ Mehrwert vom Mikroskopieren mit dem Foldscope

  • Durch die geringen Kosten des Foldscopes (ca. 10€ pro Stück) ist eine günstige 1:1 Ausstat­tung der Schüler:innen möglich. Schüler:innen müssen nicht mehr auf ein freies Gerät warten und die Gefahr, dass sie Ergeb­nisse einfach vonein­ander übernehmen, sinkt [2]. Zudem ist eine Beschä­di­gung weniger problematisch.
  • Das Foldscope ist kompakt, leicht, trans­por­tabel und benötigt keinen Strom, wodurch es örtlich unabhängig ist. Dies ermög­licht es Schüler:innen, z.B. mikro­sko­pi­sche Unter­su­chungen außer­halb des Klassen­zim­mers durch­zu­führen und die mikro­sko­pi­sche Welt im Erkun­dungs­kon­text zu entde­cken [2, 3]. Das Foldscope kann so selbst­ge­steu­ertes und aktives Lernen begüns­tigen sowie ein tieferes Verständnis der Biologie fördern [2].

    Abbil­dung 3: Mit dem Foldscope kann man z.B. die Teich­fauna erkunden.

    • Es ist einfach zu bedienen und macht eine Benut­zung durch Lehrkräfte und Lernende möglich, die wenig Erfah­rung mit dem Mikro­ko­pieren haben.
    • Beim Aufbau werden die feinmo­to­ri­schen Fähig­keiten der Schüler:innen geför­dert [3].
    • Das Foldscope ist sehr flexibel. Durch einfachste Anpas­sungen können damit auch eine Polari­sa­ti­ons­mi­kro­skopie oder eine Fluores­zenz­mi­kro­skopie durch­ge­führt werden. Entspre­chende Anpas­sungen des Licht­mi­kro­skops sind im Vergleich dazu relativ aufwendig und erfor­dern von der bzw. dem Benutzer:in tiefgrei­fende Kennt­nisse über den Aufbau eines Lichtmikroskops.
    • Eine Projek­tion des Präpa­rats ist ohne Beamer nur mit dem Foldscope und einer Licht­quelle möglich. Nutzer:innen können so das Präparat gemeinsam betrachten.

      Abbil­dung 4: Projek­tion des Präpa­rats an eine Wand nur mit Foldscope und Smartphone.

      In Verbin­dung mit einem Smart­phone oder Tablet

      • Das Foldscope wird rein magne­tisch mit einem Smart­phone oder Tablet gekop­pelt. Es ist damit nicht abhängig von einem bestimmten Anschluss, einer App oder Bluetooth bzw. einer WLAN-Verbindung.
      • Fotogra­fieren und Filmen von mikro­sko­pi­schen Präpa­raten ist in Echtzeit möglich [4] und einfach durch den festen Sitz des Foldscopes am digitalen Endgerät. Das Präparat kann präzise dokumen­tiert werden, was die Überset­zungs­leis­tung, die die Lernenden aufbringen müssen, mildert [5].
      • Die Aufnahmen des Präpa­rats können digital weiter­ver­ar­beitet, geteilt und wieder aufge­rufen werden.
      • Die digitale Dokumen­ta­tion ist eine Diffe­ren­zie­rungs­mög­lich­keit beim mikro­sko­pi­schen Zeichen. Die Aufnahme kann eine Alter­na­tive darstellen für Schüler:innen, die noch Schwie­rig­keiten beim feinmo­to­ri­schen Zeichnen haben oder als Orien­tie­rungs­hilfe für eine konven­tio­nelle Zeich­nung dienen [6].

          ⬤ Technische Voraussetzungen

          • Zum Mikro­sko­pieren wird ein Foldscope pro Schüler:in oder Gruppe benötigt. 
            • Offizi­eller und bisher einziger Anbieter in Deutsch­land ist > jot:entdecken.
            • Ein Standardkit kostet 5€.
          • Eine Beleuch­tungs­quelle, die für die Bildqua­lität wichtig ist, wird für jedes Foldscope benötigt, z.B. ein LED-Licht­modul für 5€ oder die „Taschen­lampe“ eines Smart­phones oder Tablets.
          • Sollen digitale Foto- oder Video­auf­nahmen der Präpa­rate gemacht werden, wird ein Smart­phone oder Tablet pro Foldscope und Klebe­band benötigt.
          • Zur Projek­tion des Präpa­rats an eine weiße Wand in einem abgedun­kelten Raum wird ein Foldscope und eine Beleuch­tungs­quelle wie die „Taschen­lampe“ eines Smart­phones bzw. Tablets, ein LED-Modul oder eine normale Taschen­lampe benötigt. Alter­nativ kann man das Foldscope mit einem Smart­phone oder Tablet verbinden, das dann mit einem Beamer gekop­pelt werden kann.
          • Für eine > Polari­sa­ti­ons­mi­kro­skopie wird pro Foldscope zwei 3D-Brillen­gläser (und eine Beleuch­tungs­quelle) benötigt.
          • Für eine > Fluores­zenz­mi­kro­skopie wird pro Foldscope ein Stück Farbfil­ter­folie und eine farbige LED benötigt.

          ⬤ Ideen für die Umsetzung im Unterricht

          Das Foldscope hat eine Vergrö­ße­rung von 140x und eine Auflö­sung von 2 μm. In Verbin­dung mit einem digitalen Endgerät lässt sich mit der Zoom-Funktion eine Vergrö­ße­rung von bis zu 420x errei­chen je nach Leistung der Kamera [7]. Es für die Betrach­tung von mikro­sko­pi­schen Struk­turen wie Zellen, Bakte­rien und einzellige Organismen wie Ruder­fuß­krebse geeignet. Auch größere Dinge wie Insekten oder Gewebe können betrachtet werden. Beispiele, was man alles mit dem Foldscope mikosko­pieren kann, sind auf der sozialen Online-Platt­form Micro­c­osmos zu finden.

          Ein Einsatz des Foldscopes scheint in zwei Unter­richts­sze­na­rien beson­ders sinnvoll:

          • für mikro­sko­pi­sche Unter­su­chungen außer­halb des Klassen­raums und
          • um die Arbeits­tech­niken der Mikro­skopie einzuführen.

          Mithilfe des Foldscopes können Schüler:innen den Lebens­raum von Pflanzen und Tieren vor Ort mikro­sko­pisch erkunden, z.B. Larven oder Wasser­flöhe in einem Teich. Dies ist in Klasse 5/6 vorge­sehen [8]. So soll ein Inter­esse und Freude an der Natur geför­dert werden.

          Die richtige Handha­bung eines Licht­mi­kro­skops ist komplex und junge Schüler:innen u.U. noch nicht der Lage mit diesem fachgemäß umzugehen [1]. Mit dem Foldscope können auch in Klasse 5 erfor­der­liche feinmo­to­ri­sche Fertig­keiten geför­dert und erste Einblicke in die mikro­sko­pi­sche Welt ermög­licht werden. Die Schüler:innen lernen mit Vergrö­ße­rungs­stufen, Fokus­sie­rung und Beleuch­tung umzugehen.

          Es empfiehlt sich in jedem Fall zunächst in einer Doppel­stunde den Aufbau und die Bedie­nung des Foldscopes zu behan­deln (Anlei­tungen im Download­be­reich). Die Lernenden sollten zuerst die Kompo­nenten des Foldscopes benennen und ihre Funkti­ons­weise verstehen.

          ⬤ Tipps und Hinweise für die Umsetzung im Unterricht

          Für den Aufbau

          • Das Foldscope muss nach Liefe­rung einmalig zusam­men­ge­baut werden, danach bleibt es einsatz­be­reit. Eine Alter­na­tive ist das Foldscope-Mini, das aufge­baut gelie­fert wird. Das kompak­tere Papier­mi­kro­skop hat die gleiche Auflö­sung und Vergrö­ße­rung, kann aber nicht mit einem digitalen Gerät verbunden werden.
          • Der Aufbau dauert ohne Vorer­fah­rung etwa 30 Minuten. Da sich die Bauteile z.T. stark ähneln, ist der Aufbau anhand eines Video-Tutorials einfa­cher (Link zu verschie­denen Anlei­tungen im > Download­be­reich).

          Für das Präparieren

          • Für das Foldscope gibt es kunst­off­be­schich­tete, wasser­feste Papier­ob­jekt­träger und dünne Aufkleber als Deckgläs­chen (Link zu einem Video im > Download­be­reich), aber auch normale Glasob­jekt­träger und Deckgläs­chen können verwendet werden.
          • Deckgläs­chen müssen an den Seiten mit Klebe­band fixiert werden, um ein Verrut­schen beim Einlegen in das Foldscope zu vermeiden. Bruch­ge­fahr beim Entfernen beachten! (Link zu einem Video im > Download­be­reich).
          • Bei Trocken­prä­pa­raten, wie Salzkris­tallen empfiehlt sich eine Nutzung der Deckglasauf­kleber, um Bewegungen der Probe beim Einlegen und Bewegen des Foldscopes zu verhindern.
          • Statt der Deckglasauf­kleber kann auch Klebe­band verwendet werden, das jedoch durch seine Beschaf­fen­heit die Bildqua­lität beeinträchtigt.
          • Auch bei der Verwen­dung von Deckglasauf­kle­bern ist die Struktur dieser erkennbar. Das Bild ist bei der Nutzung von Glasob­jekt­trä­gern mit Deckglä­sern klarer.
          • Die Haftfä­hig­keit der Deckglasauf­kleber lässt bei Flüssig­keiten, wie organi­schen Lösungs­mit­teln nach. Wasser beein­träch­tigt diese nicht.
          • Für Feucht­prä­pa­rate können die Abstands­ringe oder Mikro­ti­ter­ob­jekt­träger verwendet werden, da diese eine Vertie­fung bilden, was ein Auslaufen verhindert.
          • Abstands­ringe verwenden, wenn bspw. größere Organismen wie Wasser­flöhe mikro­sko­piert werden sollen, damit diese nicht zerdrückt werden (Link zu einem Video im > Download­be­reich).

          Für das Mikroskopieren

          • Die Probe am besten direkt schon beim Einlegen des Objekt­trä­gers über der Linsen­öff­nung positio­nieren, sodass weniger Nachjus­tieren notwendig ist.
          • Eine schär­fere Fokus­sie­rung der Probe kann auch durch Biegen des Foldscopes erreicht werden [9].
          • Durch die hellere Beleuch­tung einer Smart­phone- oder Tablet-„Taschenlampe“ sind u.U. die Farben kontrast­rei­cher und das Präparat besser zu erkennen.

          Für die Nutzung mit Smart­phone oder Tablet

          • Hat das Smart­phone oder Tablet mehrere Kamera-Linsen, muss die „Haupt­linse“ identi­fi­ziert werden indem man den Finger dicht über die Linsen führt. An der Linse, wo der Finger das Bild verdeckt, wird das Foldscope mit einem Magneten angebracht.
          • Ggf. muss vor dem Anbringen des Foldscopes die Hülle des digitalen Geräts entfernt werden, da sonst durch den Abstand zwischen Linse und Magneten kein klares Bild erscheint.
          • Zum Fokus­sieren und Verschieben des Präpa­rats ist es einfa­cher beide Hände zu benutzen. Wenn das Foldscope mit einem digitalen Gerät gekop­pelt ist, muss man dafür das Foldscope samt digitalem Gerät ablegen. Das digitale Gerät liegt dann nicht plan und instabil auf dem Unter­grund. Zudem wird Druck auf den Fokus­me­cha­nismus ausgeübt. Lösung: Das Smart­phone oder Tablet mit Hilfe eines Stativs senkrecht aufstellen oder das digitale Gerät auf ein dickes Buch legen, sodass das Foldscope über die Buchkante heraus­ragt (Details in der Schritt-für-Schritt-Anlei­tung für die Bedie­nung im > Download­be­reich).
          • Das Bild auf dem digitalen Gerät kann flackern, wenn das Foldscope mit einer Kamera­linse, die magne­ti­sche Kompo­nenten besitzt, verbunden wird [10]. Das Gerät kann heiß werden.

          Für das Projizieren

          • Mit der stärkeren Smart­phone- oder Tablet-Lampe als Beleuch­tung, ist das proji­zierte Bild des Präpa­rats kontrast­rei­cher und schärfer als mit dem LED-Modul. Für eine klare Projek­tion mit dem Smart­phone bzw. Tablet kann man 20 bis 50 cm weit entfernt von der Wand stehen. Das Bild hat bei 20 cm Abstand einen Durch­messer von ca. 40 cm.
          • Ist das Foldscope mit einem Smart­phone oder Tablet gekop­pelt, kann dieses auch mit einem Beamer (sofern vorhanden) verbunden werden, um das Präparat im Plenum betrachten zu können. Die Bildqua­lität ist dabei höher. Das gemein­same Betrachten im Plenum hilft insbe­son­dere unerfah­renen Schüler:innen beim Deuten des Gesehenen [1].

             

            Abbil­dung 5: Kunst­off­be­schich­teter, wasser­fester Papier­ob­jekt­träger mit Deckglasaufkleber.

            Abbil­dung 6: Bei Feucht­prä­pa­raten und größeren Organismen Abstands­ringe verwenden.

            Downloads und Links

            • LINK

            Schritt-für-Schritt-Anlei­tungen für den Aufbau des Foldscopes

            • Arbeitsmaterial

            Schritt-für-Schritt-Anlei­tung für die Bedie­nung des Foldscopes

            • LINK

            Arbeits­blatt zur Funkti­ons­weise des Foldscopes

            • LINK

            Video zum Präpa­rieren von Kunststoffobjektträgern

            • LINK

            Video zum Folds­co­pieren mit Deckgläschen

            • LINK

            Video zum Präpa­rieren mit Abstandsringen

            Literatur

            • [1] Gropen­gießer, H., Harms, U. & Kattmann, U. (2013). Fachdi­daktik Biologie (9. Aufl.). Aulis Verlag.
            • [2] Kulshres­htha, P., Gupta, S., Shaikh, R., Aggarwal, D., Sharma, D. & Rahi, P. (2022). Foldscope Embedded Pedagogy in Stem Educa­tion: A Case Study of SDG4 Promo­tion in India. Sustaina­bi­lity, 14(20), 13427.
            • [3] Jackson, C., De Beer, J. & White, L. (2020). The affec­tive affor­dances of frugal science (using foldscopes) during a life sciences water quality practical. Perspec­tives in Educa­tion, 38(1), 224–241.
            • [4] Prakash, R. & Prakash, K. (2019). Virtual micro­scopy made econo­mical and effort­less using the Foldscope and a smart­phone with screen mirro­ring. Journal of Oral and Maxillofacial Patho­logy, 23(2), 292–294.
            • [5] Schnee­weiß, N. & Sieve, B. (2020). Experi­men­tieren mit digitalen Werkzeugen. Unter­richt Chemie, 31(177/178), 10–11.
            • [6] Scherb, C. & Wolowski, J. (2020). Digitaler Durch­blick. digital unter­richten BIOLOGIE, 3, 6–7.
            • [7] Hernández-Pérez, C. & Nieto-Sobrino, M. (2022). Foldscope as an Innova­tive Teaching Tool. Educa­tion Sciences, 12(12), 927.
            • [8] Die Senatorin für Bildung und Wissen­schaft. (2010). Natur­wis­sen­schaften Biologie, Chemie, Physik Bildungs­plan für die Oberschule.
            • [9] Cybulski, J. S., Clements, J. L. & Prakash, M. (2014). Foldscope: Origami-Based Paper Micro­scope. PLOS ONE, 9(6), e98781.
            • [10] Mohan, L., Goyal, K., Anand, S., Mittal, M., Snigdha, S., Bajwa, T., Gupta, K. R., Gupta, R. K. & Diwan, P. (2019). Foldscope: A New Age Explo­ra­tory Educa­tional Tool. In A. D. Sharma. (Hrsg.), Foldscope and its Appli­ca­tions. https://www.researchgate.net/publication/354778676_Foldscope_and_its_Applica-tions_FOLDSCOPE_A_NEW_AGE_EXPLORATORY_EDUCATIONAL_TOOL (Letzter Zugriff 11.06.2023).