Videoprotokolle erstellen — Eine alternative Dokumentationsform

Versuchs­pro­to­kolle sind wichtig, um den Weg der Erkennt­nis­s­ge­win­nung im natur­wis­sen­schaft­li­chen Unter­richt zu dokumen­tieren [1]. Klassi­sche Versuchs­pro­to­kolle werden von Lernenden jedoch vielfach als lästig empfunden, weil sie immer dann erstellt werden, wenn das Experi­ment vorbei ist [2]. Das Proto­koll wird deswegen oft unmoti­viert, lücken­haft oder gar nicht angefer­tigt [2]. Eine aktivie­rende Alter­na­tive Versuche zu dokumen­tieren, sind Video­pro­to­kolle. Dies sind beson­dere Varianten von Erklär­vi­deos, die inhalt­lich ein selbst durch­ge­führtes Experi­ment behan­deln [1]. Sie sollten grund­sätz­lich eine Frage­stel­lung, eine Materi­al­liste, die Durch­füh­rung, Beobach­tungen und eine Auswer­tung enthalten [1].

Entwickelt von Rebecca Tscheslog und Jessica Dering

⬤ Die Methode kurz vorgestellt

  • Zielgruppen: Sekun­dar­stufe I und II
  • Fächer: Chemie, Biologie, Physik
  • Themen­ge­biete: jedes möglich
  • Ziele: Versuchs­pro­to­kolle abwech­se­lungs­reich und aktivie­rend gestalten

Abbil­dung 1: Erstellen eines Videoprotokolls.

⬤ Mehrwert von Videoprotokollen

  • In Video­pro­to­kollen steht nicht nur das Schreiben im Vorder­grund. Die Schüler:innen haben die Möglich­keit sich auch mithilfe von bewegten Bildern sowie Gestik und Mimik auszu­drü­cken [2].
  • Auch Kommu­ni­ka­tion, soziale Inter­ak­tion sowie indivi­du­elle und affek­tive Ausdrucks­formen werden im Video festge­halten [3], die zum Erfolg und Erinnern des Experi­ments beitragen.
  • Dynami­sche Prozesse können anschau­lich visua­li­siert werden. Insbe­son­dere durch Zeitlupen oder ‑raffer sowie Wärme­bild­auf­nahmen werden schnelle, langsame und thermi­sche Phäno­mene unserer Wahrneh­mung zugäng­lich und für die Erklä­rung von Phäno­menen nutzbar [4].
  • Durch Planen und Schneiden des Videos setzen sich Lernende intensiv mit dem Experi­ment ausein­ander [5].
  • Das Experi­ment kann erneut angeschaut werden, ohne es nochmals durch­zu­führen. So kann die Dokumen­ta­tion von Beobach­tungen verein­facht werden, denn diese sind nach dem Experi­ment ggf. nicht mehr hinrei­chend präsent. Die Beschrei­bung der Beobach­tung kann so präzi­siert werden. Auch ein Rückgriff auf das Video­pro­to­koll zur Aktivie­rung oder Wieder­ho­lung in folgenden Stunden ist leichter möglich [4].
  • Video­pro­to­kolle ermög­li­chen (anderen Lernenden) durch das Filmen von Versuchs­auf­bauten und ‑prozessen die Denk- und Arbeits­schritte anschau­lich nachzu­voll­ziehen [1]; insbe­son­dere hilfreich bei lernziel­dif­fe­ren­ziertem bzw. offenem Experimentieren.
  • Die Richtig­keit aller Arbeits­schritte kann im Nachhinein überprüft und disku­tiert werden [1], z.B. ob der Versuch korrekt aufge­baut wurde.
  • Anhand der Video­pro­to­kolle können proto­koll­be­zo­gene Stärken und Schwä­chen (z.B. inhalt­liche Angemes­sen­heit), psycho­mo­to­ri­sche Fähig­keiten und Fertig­keiten sowie soziale Kompe­tenz und Einstel­lungen zum Experi­ment diagnos­ti­ziert werden [3].

 

⬤ Technische Voraussetzungen

  • Ein Smart­phone oder Tablet pro Gruppe wird benötigt.
  • Zur Video­be­ar­bei­tung muss eine passende App auf dem Endgerät instal­liert werden. 
    • Es eignen sich zum Beispiel iMovie (iOS), Clips (iOS) oder YouCut (Android).
    • Für Anfänger:innen eignet sich die auf allen iOS-Geräten vorin­stal­lierte App iMovie sehr gut. Im  > Download­be­reich finden Sie eine Schritt-für-Schritt-Anleitung.

    Vergleich der Apps

    ⬤ Idee für die Umsetzung im Unterricht

    Mögli­cher Unterrichtsablauf:

    1. Gemeinsam Bewer­tungs­kri­te­rien für das Video­pro­to­koll festlegen (vorge­fer­tigtes Bewer­tungs­raster im > Download­be­reich).
    2. Ein Story­board erstellen (verschie­dene Vorlagen im > Download­be­reich).
    3. Das Experi­ment durch­führen und Video­auf­nahmen anfertigen.
    4. Das Experi­ment auswerten und ggf. weitere Video­auf­nahmen anfertigen.
    5. Die Video­auf­nahmen bearbeiten (Schritt-für-Schritt-Anlei­tung für iMovie im > Download­be­reich).
    6. Video­pro­to­kolle anschauen (z.B. im Peer-Review-Verfahren, wenn die Videos nicht gemeinsam im Plenum geschaut werden sollen) und disku­tieren (inhalt­lich und medial) anhand des Bewertungsrasters.
    7. Fehler in den Video­pro­to­kollen überarbeiten.

    Video 1: Beispiel eines Videoprotokolls.

    Abbil­dung 2: Lernende bereiten das Video vor. Im Vorder­grund ist ein Story­board zu erkennen.

    Abbil­dung 3: Lernende erstellen eine Video­se­quenz für ihr Video.

    Abbil­dung 4: Lernende bearbeiten ihre Videoaufnahme.

    ⬤ Tipps & Hinweise für die Umsetzung im Unterricht

    Recht­liche Rahmen­be­din­gungen beachten

    • Daten­schutz­recht­liche Vorgaben zur Aufnahme, Verar­bei­tung und Speiche­rung von Bild und Ton beachten. Eine Einver­ständ­nis­er­klä­rung der Erzie­hungs­be­rech­tigten muss vorliegen. Die Nutzung von schul­ei­genen Geräten zur Erstel­lung der Videos ist empfeh­lens­wert [1]. 

    Krite­rien für die Experimentauswahl

    • Das Experi­ment muss beobacht­bare Phäno­mene verdeut­li­chen wie z.B. bei Verbren­nungs­re­ak­tionen, Versu­chen zu Wachs­tums­be­din­gungen von Pflanzen oder zur Fallbeschleunigung.
    • Das Phänomen muss video­gra­fisch erfasst werden können. Es können geeig­nete Methoden, wie Zeitlupen, Zeitraffer oder StopMo­tion, genutzt werden.

    Für die richtige Formu­lie­rung der Aufgabenstellung

    • Aus der Aufga­ben­stel­lung sollte hervor­gehen, dass die Struk­tur­ele­mente eines Versuchs­pro­to­kolls in logischer Reihen­folge enthalten sein müssen, da häufig Frage­stel­lung, Beobach­tung und Auswer­tung in Video­pro­to­kollen fehlen (Aufga­ben­vor­schlag im > Download­be­reich).
    • Es sollte auch festge­legt werden, wie detail­liert die Versuchs­aus­wer­tung erfolgen soll. Der Vollstän­dig­keit halber sollte eine Auswer­tung auf phäno­me­no­lo­gi­scher Ebene mindes­tens enthalten sein. Der Versuch kann zusätz­lich auf symbo­li­scher Ebene und Teilchen­ebene ausge­wertet werden.

    Für das Festlegen von Bewertungskriterien 

    • Als Hilfe für Erstel­lung, Analyse, Diskus­sion und faire Bewer­tung können zu Beginn gemeinsam mediale und inhalt­liche Bewer­tungs­kri­te­rien bestimmt und dokumen­tiert werden (vorge­fer­tigtes Bewer­tungs­raster im > Download­be­reich) [1].
    • Die Krite­rien können z.B. anhand eines fehler­haften Online- oder selbst­ge­drehten Videos [1] und der Gestalt­ge­setze für Versuchs­ap­pa­ra­turen [6] oder Gesetze des Sehens [7] ( > Literatur) erarbeitet werden.

    Ein vorstruk­tu­riertes Story­board einsetzen

    • Das Story­board unter­stützt beim Struk­tu­rieren der Experi­men­tier­schritte und Planen der Darstel­lungen, z.B. beim Verwenden von Modellen für die Auswer­tung o.ä.. Es minimiert so ggf. den Zeitauf­wand der Video­pro­duk­tion, da keine Wieder­ho­lungen beim Dreh notwendig sind (verschie­dene Vorlagen im > Download­be­reich).
    • Vor dem Dreh bzw. der Durch­füh­rung des Experi­ments können die Story­boards angeschaut werden, um ggf. Verständ­nis­lü­cken bereits vorher aufzu­de­cken, denn man muss beachten, dass Fehler­kor­rek­turen im Video gegen­über einem Schrift­pro­to­koll erschwert sind.

    Für das Filmen

    • Stativ einsetzen (oder statt­dessen eine durch­sich­tige Box, die über das Experi­ment gestellt wird), denn dies entlastet die Lernenden bei der Kamera­füh­rung und erhöht die Bildqualität.
    • Für ausrei­chend Licht sorgen.
    • Bei Spritz- oder Explo­si­ons­ge­fahr Plexi­glas zwischen Versuchs­ap­pa­ratur und Kamera anbringen.
    • Material für Visua­li­sie­rungen bereit­stellen, z.B. Papier­vor­lagen zum Ausschneiden für „Teilchen“. Bei Nutzung von iMovie bei der Video­be­ar­bei­tung muss Material (z.B. Pappe) für das analoge Einfügen von Texten bereit­ge­stellt werden.
    • Falls möglich Bild und Ton gleich­zeitig aufnehmen, um Zeit zu sparen.

    Vor dem Einsatz von Video­pro­to­kollen in einer Unterrichtsstunde

    • z.B. die techni­sche Ausstat­tung überprüfen (Check­liste für Lehrkräfte im > Download­be­reich)

      Downloads und Links

      • Informationsmaterial

      Check­liste für Lehrkräfte

      • Arbeitsmaterial

      Aufga­ben­vor­schlag

      • Arbeitsmaterial

      Bewer­tungs­raster für ein Videoprotokoll

      • Arbeitsmaterial

      Story­board-Vorlagen

      • Arbeitsmaterial

      Schritt-für-Schritt-Anlei­tung für iMovie

      Literatur

      • [1] Strippel, C. G. & Braun, S. (2020). Video­pro­to­kolle nutzen. Verwen­dung und Funktionen im Chemie­un­ter­richt. Natur­wis­sen­schaften im Unter­richt Chemie, 31 (180), 22–26.
      • [2] Russek, A. & Sommer, K. (2020). Proto­kolle — Vielfalt statt Einfalt. Ein Beitrag zum Kompe­tenz­be­reich Kommu­ni­ka­tion. Natur­wis­sen­schaft im Unter­richt Chemie, 31 (180), 2–8.
      • [3] Groß, K. & Reiners, C. S. (2012). Experi­mente alter­nativ dokumen­tieren. Chemkon, 19 (1), 13–20.
      • [4] Schnee­weiß, N. & Sieve, B. (2020). Experi­men­tieren mit digitalen Werkzeugen. Natur­wis­sen­schaft im Unter­richt Chemie, 31(177/178), 10–11.
      • [5] Sieve, B. (2020). Vorstel­lungen visua­li­sieren und model­lieren. Natur­wis­sen­schaften im Unter­richt Chemie, 31(177/178), 36–37.
      • [6] Schmid­kunz, H. (1983). Die Gestal­tung chemi­scher Demons­tra­ti­ons­expe­ri­mente nach wahrneh­mungs­psy­cho­lo­gi­schen Erkennt­nissen. Natur­wis­sen­schaften im Unter­richt. Physik, Chemie, 31(10), 360–367.
      • [7] Metzger, W. (1985). Gesetze des Sehens. Frank­furt: W. Kramer-Verlag.

      Litera­tur­emp­feh­lungen

          • Huwer, J. (2018). EXPlai­nistry: Chemi­sche Experi­mente mit selbst­er­stellten Videos dokumen­tieren, erklären und visua­li­sieren. In J. Meßinger-Koppelt & J. Maxton-Küchen­meister (Hrsg.), Natur­wis­sen­schaften digital — Toolbox für den Unter­richt, Band 1, 66–69.
          • Russek, A. (2020). Ein Kristall­ta­ge­buch erstellen. Natur­wis­sen­schaften im Unter­richt Chemie, 180, 18–21.